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Interview mit Manuel Fritsch über Lokaljournalismus

„Was Merkel oder Schäuble sagen, ist eigentlich Wurst“

Studium der Islamwissenschaft, Praktikum bei der französischen Tageszeitung „Le Monde“ in Paris, binationaler Master im Ausland – Nach einer abwechslungsreichen Studienzeit hat es Manuel Fritsch als Volontär der Badischen Zeitung ins kleine Bad Säckingen am Rande der Bundesrepublik gezogen. Wie er die Arbeit im Lokaljournalismus sieht, erklärt der 29-Jährige im Interview.

Frage: Manuel, du bist Volontär bei der Badischen Zeitung (BZ). Wie sieht deine Arbeit bei der BZ aus?

Fritsch: Im ersten Jahr als Volontär verbringe ich viel Zeit in den Lokalredaktionen. Ich war fünf Monate in Lörrach und bin jetzt seit anderthalb Monaten in Bad Säckingen. Lörrach war noch einigermaßen eine Stadt, Bad Säckingen ist schon sehr ländlich. Die Arbeit hier ähnelt dem klassischen journalistischen Alltag: Artikel schreiben, Termine wahrnehmen, aber auch Nachrichten redigieren und Webseiten konzipieren.
   
Frage: Du hast Geschichte und Islamwissenschaft studiert, später dann deutsch-französische Journalistik in Freiburg und Straßburg. Jetzt arbeitest du im Lokaljournalismus in Bad Säckingen. Inwiefern hat dich dein Studium auf die Arbeit vor Ort vorbereitet?

Fritsch: Durch Geschichte und Islamwissenschaften habe ich mir eine gute Allgemeinbildung erworben. Die ist als Journalist unentbehrlich. Im Studium habe ich gelernt, den historischen und kulturellen Kontext von Sachverhalten zu erkennen und wie ich diese einzuordnen habe. Im Master der deutsch-französischen Journalistik lernt man das Handwerk. Wie schreibe ich gut, wie gehe ich an ein Thema heran? Außerdem haben wir im Master multimedial gearbeitet. Wenn man weiß, wie man ein Video schneidet oder ein Foto bearbeitet, hilft das auch bei der Arbeit im Lokaljournalismus.

Frage: Auch in Bad Säckingen?

Fritsch: Natürlich. Ich mache fast alle Fotos selbst. Wir wollen bei der BZ moderne, dynamische Fotos schießen. Da hilft es, wenn der Journalist Fotoseminare belegt hat und nicht irgendein freier Mitarbeiter einfach mit der Kamera draufhält. Gute Fotos schießen zu können, ist auch ein Pluspunkt im Lebenslauf. Im Lokaljournalismus habe ich als Journalist größere Möglichkeiten und mehr Freiraum bei den Fotos.

Frage: Du stammst aus Bayern, hast im Ausland studierst, verschiedene Praktika gemacht, warst sehr viel unterwegs. Wieso arbeitest du jetzt in einer doch etwas abgelegenen Kleinstadt, nahe der Schweiz?

Fritsch: Also ich komme aus Franken, nicht aus Bayern, das ist ein Unterschied (lacht). Ich bin halb zufällig in Bad Säckingen, weil ich eben hier das Volontariat bekommen habe. Auch in Nürnberg und bei der FAZ hatte ich mich beworben, doch beide wollten mich nicht. Doch ich kannte auch die BZ und ihre Qualitäten. Dass ich jetzt am Rande Deutschlands leben muss, ist ein annehmbares Übel. Es ist ja nur für sechs Monate und so übel ist es eigentlich auch gar nicht. Basel ist eine Hochburg der Hochkultur und liegt gleich nebendran. Bad Säckingen ist sicher kein kultureller Mittelpunkt. Aber das Leben hier vor Ort zu sehen, ist auch ganz interessant. In Bad Säckingen haben Leute eine Wahrnehmung, die ganz anders ist als alles, was ich bisher kannte. Ich habe nie für längere Zeit in einem Dorf gelebt. Menschen kennenzulernen, die in ihrem Leben noch nie weiter als 50 Kilometer aus ihrem Dorf herausgekommen sind, ist durchaus bereichernd.

Frage: Der durchschnittliche BZ-Leser ist sehr viel älter als du. Was macht den Lokaljournalismus für dich als jungen Journalisten attraktiv?

Fritsch: Attraktiv ist im Lokaljournalismus der große Handlungsspielraum bei der Arbeit. Ein Freund von mir arbeitet in Paris bei „Libération“ und schreibt vielleicht alle sechs Monate einen Artikel. Ich verfasse im Durchschnitt einen Artikel pro Tag. Natürlich sind die Themen in Bad Säckingen nicht so groß, aber das macht sie nicht unbedingt langweilig. Erst vor zwei Wochen gab es einen Überfall mit Geiselnahme. Einen tödlichen Verkehrsunfall, wo einer in eine Eisdiele gefahren ist, gab es auch in Bad Säckingen. Andere Themen, die auf den ersten Blick sehr langweilig erscheinen, lernt man doch zu schätzen, weil sie das Leben der Menschen vor Ort unmittelbar betreffen.

Frage: Wie das?

Fritsch: Die Leute interessieren sich hier nicht so sehr dafür, was Merkel oder Schäuble sagen. Das ist ihnen eigentlich Wurst. Doch wenn der Bürgermeister die Presse und die Bürger zu einem Spaziergang einlädt, damit sie ihm zeigen, wo die Stadt schmutzig ist, dann ist hier ganz schön was los. Das Thema klingt ziemlich tröge, aber das war echt amüsant. Die Resonanz auf meinen Artikel zu dem Thema war groß. Die Leute gehen da mit einer Inbrunst zum Bürgermeister und schreien: „Ah, das ist ja schrecklich, wie das hier aussieht.“ Diese Reaktionen sind spannend und man sieht direkt, was die Leute bewegt. Die Bindung zwischen Leser und Journalist ist viel direkter, als wenn ich über griechische Finanzpolitik schreiben würde.

Frage: Du sagst, du hast dich auch bei der FAZ beworben. Ist der Berufseinstieg so schwierig, dass man als junger Journalist erstmal in der Lokalpresse anfangen muss, wenn man zur überregionalen Tagespresse möchte?

Fritsch: Nicht unbedingt. Wer ein Volontariat bei der FAZ bekommt, muss das nicht. Ansonsten kann man sich als freier Mitarbeiter einen Namen erarbeiten, bis eine Festanstellung in einem größeren Haus möglich ist. Doch um das journalistische Handwerk zu lernen, ist der Lokaljournalismus echt nicht schlecht. Du kannst und musst hier viel arbeiten. In der überregionalen Tagespresse ist es auch schwieriger, den Überblick zu bewahren und relevante Themen zu erfassen. Im Lokaljournalismus ist das viel einfacher, weil nicht unbedingt viel hinter einer Geschichte steckt.

Frage: Das heißt, du siehst dich auch langfristig im Lokaljournalismus oder würdest du gerne überregional arbeiten?

Fritsch: Langfristig möchte ich doch wieder lieber weiter weg, in eine größere Stadt. Wenn man jahrelang nicht auf dem Land gelebt hat, ist das Landleben nicht so einfach. Ich brauche schon ab und zu mal ein Theater oder eine U-Bahn. Für eine gewisse Zeit ist die Arbeit hier gut und wichtig. Ich mache hier tolle Erfahrungen. Doch langfristig möchte ich wieder in eine größere Stadt.


Von Robert Handrack