Jürgen Finger (DHI Paris), Scheitern als Ausweg? Soziale Normen des Konkurses im Frankreich des 19. Jahrhunderts
Scheitern als Ausweg? Soziale Normen des Konkurses im Frankreich des 19. Jahrhunderts
Kredit und Schulden verweisen auf stark moralisch aufgeladene ökonomische Handlungsfelder. Erst recht, wenn ein Wirtschaftsakteur zur Bedienung seiner Schulden nicht mehr in der Lage war. Was bedeutete es, „en état de faillite“ zu sein, wenn „failli“ im doppelten Sinn bedeutete zahlungsunfähig und als Geschäftsmann oder Geschäftsfrau gescheitert zu sein?
Der Umgang mit insolventen Kaufleuten änderte sich im Frankreich des 19. Jahrhunderts signifikant. Das galt insbesondere für Vehemenz, Ansatzpunkt und Funktion der Moralisierung von säumigen Schuldnern. Dabei bedeuteten die verschiedenen Modernisierungsschübe seit der Revolutionszeit nicht automatisch eine Entmoralisierung des Insolvenzrechts. Der Vortrag greift mit dem Thema faillite einen Teilbereich eines größeren Forschungsprojekts zur Funktion sozialer Normen für Wirtschaftshandeln im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf und ordnet es in einen größeren chronologischen Kontext ein.
Dr. Jürgen Finger leitet die Abteilung Neuere und Neueste Geschichte am Deutschen Historischen Institut Paris. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Kulturgeschichte des Ökonomischen (Moral und Regulierung),
Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte (20. Jahrhundert) sowie die
Verwaltungs- und Bildungsgeschichte des Nationalsozialismus. Sein aktuelles Forschungsprojekt widmet sich dem Thema "Markt und Moral. Soziale Normen und Wirtschaftshandeln im Frankreich der Belle Époque".