Dr. Mareike König (Paris): Verfeindung und Verflechtung: Deutschland und Frankreich 1870-1914
Während das gängige Geschichtsbild lange Zeit den deutsch-französischen Antagonismus für die Epoche nach 1870/71 – die vielfach zitierte „Erbfeindschaft“ betonte – fokussiert die neuere Forschung stärker auf Transfer, Berührungen, Querverbindungen und Austausch zwischen beiden Ländern. Es zeigt sich, dass die deutsch-französischen Beziehungen offener waren und Verflechtungen zwischen beiden Ländern vor dem Ersten Weltkrieg eine größere Rolle gespielt haben, als vielfach angenommen. Auch sahen sich beide Länder in dieser Zeit mit vergleichbaren Herausforderungen der Moderne konfrontiert, auf die sie zum Teil ähnliche, zum Teil unterschiedliche Antworten fanden. Mit einem deutsch-französischen Blickwinkel werden Themen wie Aufbau und Konsolidierung der beiden Staaten nach 1871, Kolonialismus, Elsass-Lothringen, Kulturkampf, Nationalismus, Antisemitismus sowie Massenkulturen, Medien, Stadtentwicklung und Kunst in dieser Periode neu beleuchtet. Verflechtungen und Transfers sind dabei auf vielfache Weise präsent. Sie prägten die Lebenswelt der damaligen Bevölkerungen, auch wenn sie die machtpolitischen Konflikte letztlich nicht verhindern konnten. Diese deutsch-französische Verflechtungsgeschichte zeigt darüber hinaus, was schon andernorts festgestellt wurde: einen deutschen Sonderweg hat es nicht gegeben.
Dr. Mareike König ist Abteilungsleiterin 19. Jahrhundert und Digital Humanities sowie Bibliotheksleiterin am Deutschen Historischen Institut Paris. Sie wurde mit einer Arbeit über die europäische Integrationsgeschichte nach 1945 an der Universität Rostock promoviert und arbeitete danach an einem Forschungsprojekt zur Migration deutscher Handwerker, Dienstmädchen und Arbeiter im Paris im 19. Jahrhundert. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen neben der deutsch-französischen Geschichte im 19. Jahrhundert auf der digitalen Geschichte.